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Was ist eine Beziehung?

Noch vor wenigen Jahren verstand ich darunter eine Liebesbeziehung und Partnerschaft in der Form, dass zwei Menschen möglichst viel Zeit zusammen verbringen, irgendwann zusammenziehen und nur miteinander Sex haben.

Man redet miteinander, vertraut sich, verfolgt gemeinsame Ziele. Das hielt ich für normal.

Mehr hätte ich dazu nicht sagen können, außer dass die Details von den Beteiligten abhängen. Ich war wenig reflektiert, streng monogam und hetero.

Heute weiß ich, dass jede Beziehung zwischen Menschen anders ist und es keine Norm dafür gibt. Sie ist frei und Liebe kann fließen, wenn die Beteiligten achtsam und aufmerksam wahrnehmen und erspüren, wie es ihnen selbst für sich gesehen und in der Beziehung geht, was ihre Grenzen sind, was sie brauchen, das wertfrei kommunizieren können und den anderen so annehmen wie er ist. Beziehung ist dabei nicht identisch mit Liebesbeziehung oder Partnerschaft, sondern bezeichnet wie zwei Menschen zueinanderstehen und wie sie miteinander in Kontakt sind. 

Beziehung als Liebesbeziehung ohne Norm heißt, sie kann monogam sein, aber auch zur einem polyamoren Geflecht gehören. Es kann sein, man lebt zusammen in einer Wohnung oder einem Haus, oder getrennt. Sie darf auch nur seltene Treffen beinhalten oder sehr intensiv und eng sein, sich ändern und nicht konstant dieselbe sein. Sie besteht zwischen Menschen unabhängig von den Körpern, in denen diese leben.

Bei jedem Menschen habe ich die Möglichkeit herauszufinden, welche Art von Beziehung gerade mit diesem möglich ist. Das ist etwas Wundervolles und Spannendes und mit jeder Beziehung erweitert sich mein Horizont und mein Fühlen.

Was hindert uns daran, Beziehungen als so einzigartig wie es die Beteiligten sind einzugehen und zu gestalten? Warum haben wir vorgefasste Meinungen darüber wie Beziehungen sein müssten?

Wir gehen mit Erwartungen in Beziehungen, die geprägt davon sind, wie wir aufwuchsen und was die Gesellschaft uns auf allen Kanälen vermittelt hat. Wir wissen meist nicht mal selber, wer wir sind und was uns guttut. Wir meinen oft etwas zu brauchen, das uns in Wirklichkeit schadet oder daran hindert glücklich zu werden und zu bleiben.

Aber auch unsere Ahnen nehmen Einfluss darauf, wie wir in Beziehung gehen. Sie haben nicht nur geprägt wie unsere Eltern sind und uns aufziehen, sondern beeinflussen auch uns selbst direkt durch ihre Erfahrungen, gute wie schwere. Es ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen, dass emotional prägende Erfahrungen durch die Gene weitergegeben werden. Bei systemischen Aufstellungen kann man diese Einflüsse, aber auch die eigenen im Laufe des Lebens entstandenen Muster erkennen und auflösen.

Bis wir als Kleinkinder beginnen, uns als Individuum wahrzunehmen, sind wir – falls wir eine behütete Kindheit erleben können – verbunden mit unserer Familie und dem Gefühl der Liebe. Wir fühlen uns geborgen und glücklich. Wenn wir weinen, sind wir müde, hungrig, krank oder haben körperliche Schmerzen.

Doch mit dem Erwachen der Wahrnehmung als Ich, beginnt der Frust. Die Trotzphase beginnt damit, dass wir etwas wollen, aber nicht erhalten. Je mehr wir in den Widerstand dagegen gehen, dass unser Leben nicht unserem Willen folgt, desto mehr leiden wir.

Und je älter wir werden, desto komplexer wird das Geflecht aus Erfahrungen und Erwartungen, mit denen wir schließlich als Erwachsene Beziehungen eingehen und leben.

Inzwischen sind wir nicht nur verletzt oder trotzig, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden und das Leben nicht laufen will wie wir es uns wünschen.

Wir haben Strategien entwickelt, von denen wir glauben, dass sie uns ermöglichen möglichst viel von dem zu erhalten, was wir wollen. Wir haben Glaubenssätze, wie das Leben, Beziehungen und Menschen sind und wie wir uns verhalten sollten, um möglichst viel von dem zu bekommen, das uns glücklich zu machen verspricht. So ungetrübt glücklich wie wir es als Kind waren. Wir haben uns selbst konditioniert oder konditionieren lassen.

Eine dieser Strategien ist die Kontrolle. Sie vermittelt uns das Gefühl der Sicherheit vor Verletzung und Leid. Wird uns diese Kontrolle genommen, wie beispielsweise in letzter Zeit durch eine Pandemie und die daraus folgenden Maßnahmen, kommen bei vielen Ängste hoch. Wir glauben ohne Kontrolle werden wir nicht bekommen, was wir brauchen, wollen, oder benötigen, um uns glücklich zu fühlen.

Dabei ist die Kontrolle eine Illusion. Wir alle wissen nicht, wann und wie wir sterben werden. Das Leben ist nur in einem konstant: in der Veränderung.  

Mein Wissen und Denken über Beziehung hat sich sehr verändert. Das ist die Folge meiner zahlreichen Gespräche, Seminare und Begegnungen mit inspirierenden, aber manchmal auch sehr herausfordernden Menschen; die meisten im tantrischen Rahmen.

Mir ist vieles bewusst geworden, das ich früher nicht mal hätte in Worte fassen können.

Nicht einmal erklären hätte ich können, was Achtsamkeit, wertfreie Kommunikation, Präsenz und Hingabe sind. Bei jedem Thema habe ich mir angeschaut: Wie ist es, wenn es daran fehlt, wie wenn es da ist? Wie lebe ich es, wie andere? Wie wirken andere auf mich? Dann erkannte ich das Prinzip der Resonanz und Spiegelung und ich lernte: wie ich auf andere wirke oder sie auf mich, hängt vom Empfänger der Botschaft ab und nicht vom Sender.

Zu Beginn wollte ich allen ins Gesicht sagen, was mir gerade über sie klar geworden ist. Du klammerst Dich an Kontrolle! Ups, da durfte ich lernen, was Übergriffigkeit ist.

Und es ist schwer zu akzeptieren, dass jeder seinen eigenen Weg geht und es mir nicht zusteht, diesen zu verändern. Es ist schwer zu sehen, wie der andere leidet, weil er an seinem Thema leidet und zu wissen, was er lernen oder verstehen darf. Und nichts sagen oder tun zu dürfen.

Ich hatte schon immer die Fähigkeit, selbst mit schwierigen Menschen gut in Kontakt zu kommen, weil ich jedem herzlich und freundlich begegne. Dabei habe ich gelernt, dass sich jeder wünscht angenommen zu werden. Instinktiv folgte ich diesem Gefühl.

Seit meinen tantrischen Erfahrungen aber verstehe ich, dass ich bereits seit langem auf dem Weg war und auch meine Sexualität spiegelte das wider.

Seit meinen ersten Tantraseminaren wusste ich: Ich bin angekommen, das habe ich gesucht und endlich gefunden. Hier wird gelebt und gefördert, was ich lebe und wie ich bin. Hier lerne ich, ganz ich selbst zu sein. Eines der ersten Erlebnisse war die Erkenntnis, dass ich meinem Tantralehrer nicht in die Augen sehen konnte als er sich von mir mit den Worten „es war mir eine Ehre Dich kennenzulernen, Shakti“ verabschiedete und mich dabei so tief im Inneren berührte, wie noch nie ein Mensch zuvor. 

Durch bewusste Arbeit an mir selbst, das Kennenlernen meiner Muster, Erwartungen und Ängste, habe ich gelernt meine Mitmenschen besser zu verstehen und anzunehmen wie sie sind.

Ich habe erkannt, dass Liebe bedingungslos ist. Auch wenn ich keine Kontrolle habe, sogar wenn mir der andere nicht nur nicht gibt, was ich mir wünsche, sondern sogar noch das was mir nicht gefällt oder mich verletzt; selbst wenn es Ängste in mir weckt, kann ich dennoch lieben.

Ob ich dann auch eine Liebebeziehung mit demjenigen führen kann und in welcher Form steh allerdings auf einem anderen Blatt.

Denn die Liebe zu mir selbst und als Folge auch die Beziehung zu mir selbst, die Achtsamkeit mir selbst gegenüber und das Erkennen meiner Bedürfnisse sind nicht weniger wichtig als meine Beziehungen zu anderen.

Und weil Liebe bedingungslos ist, muss ich sie mir auch nicht verdienen, mich nicht verbiegen, niemand anderer sein, nichts geben, das ich nicht möchte.

Zuletzt habe ich verstanden, dass alles Liebe ist und wir verbunden sind in Liebe. Dennoch verliere ich dieses Bewusstsein noch häufig und fühle es nicht immer.

Wozu dienen uns Beziehungen? 

Um durch Resonanz und Spiegelung zu erkennen, was mich noch daran hindert mich mit der Liebe verbunden zu fühlen. Aber auch um regelmäßig und in geschütztem Rahmen körperlich die wunderschöne und heilsame Erfahrung zu machen, dass sich unsere Energien vervielfältigen, wenn sie fließen und wir sie verbinden.

Text: Gina Katergara (Identität ist der Redaktion bekannt)

Webseite: https://www.joyclub.de/profile/3468391.gina_katergara.html

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One thought on “Was ist eine Beziehung?

  • 24. Juni 2020 um 12:01
    Permalink

    Liebe Gina,
    danke für Deinen schönen Text, der mir gut gefällt, und dem ich fast uneingeschränkt zustimmen kann. Einzig die Aussage, dass unsere Wirkung auf andere nur vom Empfänger der Botschaft abhängt, und nicht vom Sender, würde ich so nicht treffen. Ich denke es ist ein Wechselspiel, auch ein in Beziehung treten, bei dem beide, Sender und Empfänger, eine Rolle spielen. Im besten Fall eine gleichberechtigte, und der Kontakt, die Beziehung ist in Balance. Aber dieser Aspekt ist nur eine unbedeutende Kleinigkeit in dem vielen, was auch mir als „richtig“ erscheint, und „wahr“. Ganz wertfrei natürlich. Lach! Da mir Dein Text so gut gefällt, werde ich ihn mal auf Facebook teilen.
    Liebe Grüße, Matthias

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