Das Himmelreich ist inwendig in Euch
Wenn ich im Alltag meiner Liebsten begegne, dann nehmen wir uns erstmal Zeit für ein Seelengespräch, das heißt: wir kommen bei uns selber an, durch Meditation, Tanz oder wonach uns gerade ist. Wir teilen uns aus dem Herzen mit, was uns gerade bewegt, hören einander zu und begegnen uns dabei im Geiste des Namasté. Für mich kann das Eins Werden mit dem Göttlichen in der Begegnung mit einem Menschen geschehen. Es bietet die Möglichkeit, Liebe als heilende Kraft zu erleben. Erst dann können wir ein Ritual miteinander teilen, das kann einfach nur ein gegenseitiges Handauflegen in diesem Bewusstsein sein, oder auch eine Massage, manchmal passt auch eine stille Vereinigung.
Glück bedeutet der Moment,
wenn wir zusammensitzen
mit zwei Formen, zwei Gesichtern, aber einer Seele.
Du und Ich
(Rumi)
Im Ritual kann dann ein Satz aus dem Inneren aufsteigen, wie z. B.: „Gott liebt dich durch mich“. Es ist ein „durchpulst Werden“ der göttlichen Energien aus dem stillen Sein durch den eigenen Körper hindurch in den Körper des Ritual-Partners hinein, das wellenartige Bewegungen auslösen und in die Erfahrung des transpersonalen Raumes führen kann. Dann wird aus den zwei Personen ein Wir und dann kann Es als ein Eins-Sein mit Allem (Gott, Kosmos, Du und Ich), verbunden in der bedingungslosen Liebe, erlebt werden.
In solchen Augenblicken gibt es für mich keinen Unterschied mehr zwischen der tiefen Einheitserfahrung, die u. a. in der Kontemplation geschenkt werden kann und der Liebesmystik in Gestalt einer allumfassenden Gotteserfahrung zwischen zwei Menschen im Rahmen des Tantra – es sind dann nur noch zwei unterschiedliche Ausdrucksweisen der EINEN WIRKLICHKEIT.
„Wir liegen nebeneinander, halten inne und lassen unser liebendes Zusammenwirken nachwirken. Wir vertrauen der Kraft des Zwischenraumes, die zum Auskosten einlädt. Beredtes Schweigen begleitet uns. Wir erahnen, dass alles beseelt ist und die dualistische Lebenssicht, die Geist und Materie, Gott und Mensch trennt, überwunden werden kann. Meine Verwurzelung in Christus führt mich mitten in den Alltag, um die göttliche Spur in all meinen Lebensvollzügen zu erahnen“ (P. Stutz, in: Publik -Forum Extra, 1/2006, S.8)
Bin ich mit einem Menschen zusammen, den ich von Herzen liebe oder mit dem ich im Rahmen einer heilenden Tätigkeit zusammen bin, in einer körperlichen Verbindung spüre ich: es wird immer stiller und ruhiger in mir. Ich nehme nur wahr, wie eine Energie von Liebe durch mich strömt und den Anderen berührt. In solchen Momenten habe ich das Gefühl , es geschieht etwas Heilendes, Nährendes für mich und mein Gegenüber. In dieser Gesinnung kann jede Begegnung zu einer Berührung auf göttlicher Weise werden.
Vor jeder Handauflege-Übung und auch vor jeder Massage, sprechen wir das Gebet zum Handauflegen:
Möge die göttliche, heilende Kraft durch uns fließen,
uns reinigen, stärken und heilen,
uns erfüllen mit Liebe, heilender Wärme und Licht,
uns schützen und führen auf unserem Weg,
wir danken dafür, dass dies geschieht.
Amen
Das Gebet hat hier eine schützende Kraft und Wirkung. Dadurch können die Berührungen in göttlicher Weise wahrgenommen und erlebt werden. Es ist ein Beschenken und Beschenkt-Werden gleichzeitig, welches ich in tantrischen Ritualen mit dem ganzen Körper, mit Herz und Seele erlebe. Nicht mehr ich massiere dann, wenn ich in dieser spirituellen Ebene von Einheit, Liebe und Frieden innerlich angekommen bin, sondern es fühlt sich an, wie wenn Gott durch mich den anderen Menschen massiert. Tantra eröffnet mir einen Weg, mich selbst in meinem göttlichen Ursprung zu erkennen und das Göttliche im Menschen in all seinen Erscheinungsformen zu feiern und zu verehren, also auch im und mit dem ganzen Körper.
Was mir noch hilft, die tantrische Haltung in den Alltag einfließen zu lassen, ist, z. B. eine Chakra-Breathing-Meditation oder eine Quantum-Light-Breath-Meditation zu machen und mich darüber auszutauschen. Immer wieder mache ich mir den Respekt bewusst, den jede Begegnung mit mir selbst und dem Anderen und dem Göttlichen in mir mit sich bringt.
So ist Tantra für mich ein mystischer Weg, auf dem ich in jedem Atemzug in dieser inneren Verbindung und Erfahrung des Göttlichen im Menschen verweilen kann. Wie sagte schon mein Lehrer Jesus Christus: „Das Himmelreich ist inwendig in Euch“ Dieses im Alltag präsent zu halten, das bedeutet für mich Tantra im Alltag.
„Für einen Sufi ist der Leib der Tempel Gottes und das Herz Sein Altar.“
(Hazrat Inayat Khan, Die Gathas)
Text: Manfred-Johannes Reher
Website: www.kontemplatives-handauflegen.de