Grenzen respektieren – Ja natürlich
Grenzen überschreiten – Ja endlich
Eine unserer am meisten beachteten Grenzen ist unsere Haut, innerhalb derer sich die unermessliche Weite unseres Selbst ausdehnt. Nehmen wir unsere Aura wahr, so beginnt diese Grenze unscharf zu werden und die Grenzen der Wahrnehmung unseres Selbst verschieben sich. Erkennen wir unsere geistige und energetische Verwobenheit mit allem Seienden, so löst sich diese Grenze als Illusion auf. Nehmen wir die Sichtweise der modernen Physik mit den Atomkernen und Ihrem Raum mit Energiewahrscheinlichkeiten, so schwindet die Vorstellung einer klaren Grenze auf materieller Ebene vollends.
Nicht anders ist die Betrachtung unserer Grenzen auf seelischer, geistiger und gesellschaftlicher Ebene durch eine ganze Vielzahl von schwer zu fassenden Sichtweisen geprägt.
Eine Art von Grenze ist durch gesellschaftliche Normen geprägt – was „man“ tut und darf und was nicht. Dir diese bewusst zu machen und sie dann willentlich zu überschreiten, wirst du vielfach als Befreiung erleben, hin zur Verwirklichung deines Lebenszieles. Von außen vorgegebene Muster, Einschränkungen und Unterdrückung fallen ab. Daraus ergeben sich Konsequenzen für dich und deine Liebsten, positiv befreiend oder auch negativ ausgrenzend. Andererseits sind Grenzen sinnvoll für jede Gesellschaft, die das Zusammenleben ihrer Mitglieder verantwortungsbewusst organisiert. Unsere heutige westliche Gesellschaft zeichnet sich nach Ken Wilbert durch eine zunehmende Tiefe aus, die immer mehr unterschiedliche Lebenskonzepte und damit unterschiedliche Grenzen ihrer Mitglieder in sich vereint.
Das Überwinden und Verschieben deiner eigenen Grenzen ist also immer leichter möglich. Und so bist du eingeladen, das eigene Lebenskonzept passend zu entwickeln und dich für das zu entscheiden, was dir gut tut.
Bei der Überschreitung der Grenzen anderer durch dich, wie umgekehrt deiner eigenen durch andere, kann es zur Verletzung von Gefühlen kommen, mit sehr unterschiedlichen Reaktionen und sich daraus ergebende Konsequenzen. Abhängig von der Haltung, aus der heraus sie geschehen, sind derartige Grenzüberschreitungen Beiträge zu gesellschaftlichen Entwicklung mit sehr unterschiedlichen Qualitäten und verlangen ein hohes Maß an Bewusstsein und Wachsamkeit.
Oft ist aber die innere Haltung durch vielfältige Machtstrukturen geprägt, ob rein körperlich von Mann zu Frau, von Erwachsenen zu Kindern oder strukturell von Vorgesetzten zu MitarbeiterInnen, von Seminarleitern zu TeilnehmerInnen usw. und spielt eine wesentliche Rolle. Hier handelt es sich um Machtmissbrauch und –ausübung, Übergriff, Gewalt in den unterschiedlichsten Facetten.
Dagegen wehre ich mich;
davor brauche ich Schutz;
darunter leide ich;
daran verzweifle oder zerbreche ich;
das erdulde ich in Demut.;
darein gebe ich mich hin;
dafür räche ich mich;
dagegen suche ich Gemeinschaft sind beispielsweise mögliche Reaktionen.
Weiterhin lassen sich Grenzen als wertvoller intimer Schutz betrachten, den du dir vielleicht aufgrund schwerer Erfahrungen in der Vergangenheit zugelegt hast. Derartige Erfahrungen sind bis auf die Zellebene in dir gespeichert. Fehlende Wahrnehmung, Manipulationen oder eigene Muster können dich deine eigenen Grenzen überschreiten lasse bzw. zu einer Überschreitung einladen oder zulassen, ohne dies zu wollen oder „reif“ dafür zu sein.
Gerade im Tantra werden durch das Einbeziehen aller Lebensbereiche, also auch der Sexualität, schnell unterschiedlichste Muster, Blockaden und Grenzen angesprochen. Von den Seminarleitern wirst zu Übungen eingeladen, die dir ein breites Experimentierfeld bieten. Ein achtsames und waches Hinschauen in eigener Verantwortung ermöglicht dir tiefe Erfahrungen zu machen und zu integrieren, dein Leben zu transformieren und Neues sich manifestieren zu lassen.
Leicht überschreitest du dabei deine eigenen Grenzen oder die deiner Übungs-Partner, was bei dir selbst Wachstum einlädt oder aber auch behindert. Tantra Seminare laden zu einem bewussten und achtsamen Experimentieren mit sich selbst ein, wie in einem Labor des Lebens in voller Eigenverantwortung. In Anerkennung der Begegnung mit Übungspartnern wird daher im Eröffnungsritual vieler Tantra Übungen eine Begrüßungsformel vorgeschlagen: Namaste, mein göttlicher Kern achtet und verehrt dich als Teil des göttlich Weiblichen/Männlichen und als Spiegel meiner selbst.
Ganz anders sind die Herausforderungen an die Leiter und Assistenten von Tantra Seminaren, die den Teilnehmenden Übungen und Praktiken zu deren Wachstum anbieten und sie dabei begleiten. Das Seminarprogramm ist dabei als Angebot zu verstehen und sollte nicht mit Druck oder Manipulation zur Teilnahme drängen, denn nur die Teilnehmenden sind für Ihr Wachstum, die eigenen Grenzen und deren Einhaltung oder Ausweitung verantwortlich. Jeder spürt eigenverantwortlich, ob es an der Zeit ist Grenzen zu verschieben oder sie aber aus guten Gründen beizubehalten.
Eine besondere Herausforderung für die Seminarleitung besteht daher darin, eigenverantwortliches Handeln und Experimentieren zu ermöglichen und gleichzeitig in den vielfältigen Übungen als Projektionsfläche für die Teilnehmenden zur Verfügung zu stehen. Intime Beziehungen zwischen Mitgliedern des Leitungsteams und TeilnehmerInnen schließen sich aus Gründen der Klarheit und des Schutzes aller schlichtweg aus.
Abschließend sind hier meine Gedanken zum Umgang mit Grenzen:
- Bewusst nehme ich meine Grenzen wahr und erweitere sie oder halte sie bewusst ein.
- Deine Inspiration nehme ich als Einladung zur Erweiterung meiner Grenzen an oder lehne ab.
- Deine Grenzen achte ich und lade dich durch mein Verhalten ein, sie zu erweitern
- Ein unbewusstes, provozierendes oder ungewolltes Überschreiten von Grenzen lehne ich ab
- Überschreitung von Grenzen durch Machtanwendung oder Gewalt lehne entschieden ab.
Text: Andreas Rupp
Webseite: www.skydancing-tantra.de